Unsichtbare Helden
Als Helden und Engel wurden sie über Wochen beklatscht. Mit großem persönlichem Einsatz haben sie Menschen geholfen, die ihre Hilfe brauchten. Anfangs sogar notgedrungen ohne Schutzkleidung. Doch nach Bewältigung der ersten Corona-Welle sind Pflegekräfte in Betreuungseinrichtungen und der Altenpflege weiter massiv gefordert – und stehen wieder alleine da.
Auch ich durfte schon lange vor der Pandemie, bei meiner Arbeit in einem Sozialunternehmen, einige von ihnen kennenlernen. Großartige Menschen, die Tag für Tag ihr Bestes geben, um Menschen die sich selbst nicht mehr oder nur noch eingeschränkt selbst helfen können, das Leben lebenswert zu machen. Doch man sieht sie nicht. Selbst in den vielfältigen Einrichtungen in denen sie arbeiten, sind sie eben Personalnummer „1,2,3“. Während andere nach ihrem Büroalltag pünktlich den Computer ausschalten können, arbeiten sie in Nachtschichten, an den Wochenenden und Feiertagen. Den Menschen schaltet man nicht abends ab, wie seinen Computer. Er braucht Verpflegung und Unterkunft, mehr aber noch Zuspruch und Aufmerksamkeit, ohne Zeitbegrenzung. Und die Menschen in der Pflege bieten dies. Oft auch in Doppeltschichten. Die Arbeit mit hilfsbedürftigen Menschen fordert nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Kein Wunder das krankheitsbedingte Ausfälle beim Pflegepersonal entstehen, die durch die sowieso schon viel zu geringe Besetzung, Doppelschichten erforderlich machen. Sie machen dies nicht für Lob und Anerkennung und schon gar nicht für Geld und Ruhm, sondern einfach, um zu helfen!
Pflegehelfer verdienen zwischen 1.700 – 2.600 Euro, Pflegefachkräfte mit Berufsausbildung 2.150 – 3.100 Euro, Wohlgemerkt brutto! Damit wir man nicht reich. Zudem kommt noch die mangelnde Anerkennung bis in höchste Ebenen.
Pflegekräfte sind mittlerweile das Feindbild mancher Politiker. Sie sind unbequem geworden, weil sie auf einen Missstand hinweisen, der nicht in ein gewinnorientiertes Gesundheitssystem passt. Doch nicht nur in der Politik bekommen Pflegekräfte nicht die Anerkennung, die ihnen gebührt. In unserer Leistungsgesellschaft verschließen wir nur zu gerne die Augen davor, dass es Menschen gibt, die aus vielfältigen Gründen Hilfe benötigen. Und genau diese bekommen sie durch Menschen, die sich Tag für Tag unter oft widrigen Umständen für sie einsetzen. Doch die ihnen gebührende Anerkennung bleibt ihnen verwehrt. Sie sind eben da und funktionieren.
„Ach du arbeitest in einem Altenheim? Da verdient man doch nichts. Konntest du nicht was im Büro lernen?“
Wie oft müssen sich Menschen, die sich um die ehemaligen Stützen unserer Gesellschaft kümmern, solche unsinnige Fragen noch anhören?
Seit Jahren fordern Pflegefachkräfte mehr Geld. In der Corona-Epidemie werden sie plötzlich bemerkt - und vom Balkon beklatscht. Doch wird sich die Bevölkerung an ihre Probleme erinnern, wenn die Krise vorbei ist?
Der Pflegenotstand ist eine Krise, an die sich viele Deutsche schon gewöhnt haben. Doch die Corona-Epidemie rüttelte sie plötzlich wach. Politiker nennen Pflegekräfte jetzt "systemrelevant“. Und genau das sind sie! Für sie ist jedes Leben lebenswert und der Begriff Nächstenliebe nicht nur ein Wort. Sie verdienen unsere Bewunderung. Nicht nur durch gelegentliche „Bravo“ Rufe vom Balkon. Sondern dadurch das ihre Arbeit leistungsgerecht entlohnt wird und die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass der Helfer nicht zum Leidtragenden wird.